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Kanban Board: Ganz schön beschränkt!

Entwicklung einer anspruchsvollen Marketingkampagne, Projekt-Risikoanalyse nach allen Regeln der Kunst oder hochkomplexe, mehrdimensionale Strukturen bei der Software-Entwicklung: Es sind typische Szenen aus unserem Arbeitsalltag. Und dann soll die strukturierte Taskliste unseren IT-affinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu viel abverlangen?

Dies jedenfalls suggerieren die Verfechter von Kanban Boards. Solche Angst vor Überforderung erinnert mich an den gestandenen Manager, der sich bei der Covid-Injektion in die Horizontale begeben muss. Mit dem entscheidenden Unterschied, dass dies dem Erfolg seines Unternehmens nichts anhaben wird.


Das Kanban Board, diese an sich hübsche Kärtchentechnik, hat seit einiger Zeit Konjunktur. Spricht man mit – oftmals ehemaligen – Anwendern, scheint sie sich allerdings eher in den Werbekampagnen der Anbieter und in der Toolbox der Berater als in der betrieblichen Praxis niederzuschlagen.


Kommen wir zur entscheidenden Frage: Unterstützt das Kanban Board das zentrale Ziel – die anstehenden Tasks zielführend zu planen und zu steuern, ohne das grosse Ganze aus den Augen zu verlieren? Dass die Kanban-Darstellung für die Abarbeitung der Bucket List des Rentners ihren Wert haben kann, sei ihr zugestanden. Doch der Informatiker? Die promovierte Forscherin? Gerade einmal eine gute Handvoll Tasks passen auf dem grossen 17-Zoll-Notebook in die Spalte «Work in Progress», dann ist Feierabend, und das Scrollen beginnt. Gravierender indes: Das Board enthält mir all das vor, was über die nächsten paar Wochen hinausreicht, da ich nicht in der Lage sein soll, über meine Nasenspitze hinauszudenken.


Die gute alte Tabelle oder Liste, sortiert nach den Attributen Termin oder Priorität, unterlegt mit intelligenten Filtern und aussagekräftigen grafischen Symbolen, bietet eine ebenso klare Sicht auf die anstehenden Tasks. Dies jedoch, ohne den Rest der Welt aus dem Blickfeld zu verbannen nach dem Motto: Alles andere geht dich nichts an. Man kann den sonst so hochgehaltenen Blick über den Tellerrand hinaus auch mit Gewalt unterdrücken. Wen wundertʼs, dass manche meiner Gesprächspartner mit ernüchternder Kanban-Erfahrung von diesem wieder Abstand genommen haben.

Wir sollten offen sein für Neues. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend damit, jedem Modetrend hinterherzurennen.

Das Argument, man könne vom Board ja jederzeit zurück auf die Listensicht wechseln, sticht nur dann, wenn dieses klassische Mittel funktional auch überzeugt. Doch hier hapert es leider gewaltig. So ist die tabellarische Taskliste etwa bei Microsofts Planner ein schlechter Witz. Formatierbare Beschreibungsfelder, eine mehrstufige Task-Hierarchie oder die Möglichkeit, in der Tabelle direkt zu editieren, sucht man – und dies nicht nur bei Microsoft – vergebens. Für das persönliche Management einiger To-dos mag dies noch angehen. Die Tasks ganzer Teams lassen sich damit nicht zielführend steuern. Dass Planner mich bei jedem Zugriff auf die Liste erneut über das Board zwingt, ist sozusagen das negative I-Tüpfelchen.


Bei diesen Schwachpunkten wäre anzusetzen, statt Schnickschnack für die effekthaschende Demo zu implementieren. Effizienz und Transparenz entstehen nicht aus Schönheit oder Eleganz. Sie sind das Produkt aus Geradlinigkeit, Schnörkellosigkeit und Zielorientierung.


Wir sollten offen sein für Neues. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend damit, unreflektiert jedem Modetrend hinterherzurennen. Das Kanban Board verorte ich klar in dieser Kategorie.


Diese Kolumne erschien in der September-Ausgabe 2023 des Swiss IT-Magazine. Sie können diesen hier als pdf herunterladen. Weitere spannende Beiträge finden Sie wie immer auch auf unserer Download-Seite.

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